Vereinfachte Buchführung: Steuerliche Vorteile und Nachteile

Erfahren Sie alles über Vereinfachte Buchführung: Von der Veräußerung von Anteilen bis hin zu Ausschüttungsmodalitäten. Ihr Leitfaden für eine optimale Ausschüttung.

Vereinfachte Buchführung bei der UG: Fluch oder Segen aus Steuersicht?

Die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG) ist der Einstieg in die Welt der Kapitalgesellschaften für viele Gründer und Start-ups. Einer der Vorteile, die die UG gegenüber der "großen Schwester" GmbH bietet, ist die Möglichkeit der vereinfachten Buchführung. Doch was genau bedeutet das aus steuerlicher Sicht? Welche Vorteile, aber auch Nachteile bringt die vereinfachte Buchführung mit sich? Und was ist beim Übergang zur Bilanzierung oder beim Verkauf der UG zu beachten?

Was ist die vereinfachte Buchführung?

Grundsätzlich sind alle Kaufleute nach § 238 HGB zur Buchführung verpflichtet. Das gilt auch für die UG als Kapitalgesellschaft. Allerdings gibt es für kleine UGs eine Erleichterung: Sie können die vereinfachte Buchführung nach § 241a HGB anwenden, wenn sie mindestens zwei der drei folgenden Kriterien nicht überschreiten:

  • Umsatzerlöse bis 600.000 € p.a.
  • Bilanzsumme bis 300.000 €
  • Bis zu 10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt

Bei der vereinfachten Buchführung müssen lediglich die Bareinnahmen und -ausgaben sowie die Forderungen und Verbindlichkeiten aufgezeichnet werden. Eine doppelte Buchführung mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung ist nicht erforderlich. Stattdessen genügt eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG.

Die EÜR stellt die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenüber. Der Unterschiedsbetrag ist der Gewinn bzw. Verlust. Anders als bei der Bilanzierung werden hier keine Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen oder Abschreibungen berücksichtigt. Das Zu- und Abflussprinzip gilt: Einnahmen und Ausgaben sind in dem Jahr zu erfassen, in dem sie tatsächlich bezahlt werden.

Vorteile der vereinfachten Buchführung

Der größte Vorteil der vereinfachten Buchführung ist die Einfachheit. Die Aufzeichnungen sind weniger komplex und zeitaufwendig als bei der doppelten Buchführung. Das spart Kosten für Buchhaltung und Steuerberatung.

Auch aus steuerlicher Sicht kann die vereinfachte Buchführung Vorteile bieten:

  • Freibeträge und Pauschalen leichter nutzbar: Viele Freibeträge und Pauschalen (z.B. Arbeitszimmer, Fahrtkosten, Bewirtungskosten) lassen sich in der EÜR einfacher geltend machen als in der Bilanz. Das liegt daran, dass die tatsächlichen Zahlungen maßgeblich sind und nicht die periodengerechte Zuordnung.

  • Gewinnverteilung flexibler: Bei der EÜR können Gewinne leichter ins Folgejahr verschoben werden, indem Rechnungen später gestellt oder bezahlt werden. So lässt sich die Steuerbelastung über mehrere Jahre verteilen. In der Bilanz ist das durch das Realisationsprinzip eingeschränkt.

  • Gewerbesteuerfreibetrag nutzbar: Die UG unterliegt als Kapitalgesellschaft grundsätzlich der Gewerbesteuer. Allerdings gibt es einen Freibetrag von 24.500 €, der bei der EÜR leichter genutzt werden kann. Denn hier zählt der steuerliche Gewinn, während in der Bilanz der handelsrechtliche Gewinn oft höher ausfällt.

  • Thesaurierungsbegünstigung anwendbar: Für einbehaltene Gewinne von Kapitalgesellschaften gibt es eine begünstigte Besteuerung mit nur ca. 30% (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer). Diese Thesaurierungsbegünstigung lässt sich bei der EÜR leichter nutzen, da der Gewinn hier oft niedriger ist als in der Bilanz.

Nachteile und Risiken der vereinfachten Buchführung

So verlockend die vereinfachte Buchführung auch sein mag: Es gibt auch einige Nachteile und Risiken, die es zu beachten gilt.

  • Keine Rückstellungen möglich: In der EÜR können keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste gebildet werden. Das kann zu einer höheren Steuerbelastung führen, wenn entsprechende Aufwendungen später anfallen.

  • Höhere Nachzahlungen möglich: Durch das Zufluss-/Abflussprinzip kann es bei der EÜR zu Verzerrungen kommen, wenn Einnahmen und Ausgaben in unterschiedliche Jahre fallen. Das kann zu höheren Steuernachzahlungen führen, wenn die Einnahmen in einem Jahr überwiegen.

  • Geringere Transparenz und Kontrolle: Die EÜR bietet weniger Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens als eine Bilanz. Insbesondere die Entwicklung des Vermögens und der Schulden lässt sich schwerer nachvollziehen. Das kann die Kontrolle und Steuerung des Unternehmens erschweren.

  • Schwierigkeiten beim Verkauf: Für potenzielle Käufer ist eine UG mit vereinfachter Buchführung oft weniger attraktiv als eine bilanzierende Gesellschaft. Denn die EÜR bietet weniger Transparenz und erschwert die Due Diligence. Auch die Bewertung des Unternehmens ist schwieriger, was zu einem niedrigeren Kaufpreis führen kann.

  • Pflicht zur Bilanzierung beachten: Die Kriterien für die vereinfachte Buchführung sind jährlich zu prüfen. Werden sie überschritten, besteht eine Pflicht zur Bilanzierung. Der Übergang muss dann sorgfältig geplant und umgesetzt werden, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Übergang zur Bilanzierung: Worauf ist zu achten?

Früher oder später kommt für die meisten UGs der Zeitpunkt, an dem sie zur Bilanzierung wechseln müssen oder wollen. Sei es, weil die Größenkriterien überschritten werden, sei es, weil ein Verkauf oder eine Finanzierung ansteht. Beim Übergang zur Bilanzierung gibt es einige steuerliche Fallstricke zu beachten.

  • Steuerneutrale Überleitungsrechnung erforderlich: Für den Übergang von der EÜR zur Bilanz ist eine steuerneutrale Überleitungsrechnung nach § 60 Abs. 4 EStDV erforderlich. Darin werden die Werte der EÜR in die Bilanz überführt, ohne dass stille Reserven aufgedeckt werden. Das erfordert eine sorgfältige Dokumentation und Abstimmung mit dem Finanzamt.

  • Bilanzansatz von Wirtschaftsgütern prüfen: Bei der Überleitung sind alle Wirtschaftsgüter zu erfassen und zu bewerten, die in der EÜR nicht enthalten waren. Das können z.B. selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände (Patente, Software) oder geringwertige Wirtschaftsgüter sein. Hier ist eine sorgfältige Prüfung und ggf. Nacherfassung erforderlich.

  • Rückstellungen und Abgrenzungen bilden: Mit dem Übergang zur Bilanzierung sind erstmals Rückstellungen (z.B. für Gewährleistungen, Prozessrisiken) und aktive/passive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Das kann zu einem höheren Aufwand im Übergangsjahr führen, der steuerlich zu berücksichtigen ist.

  • Vorräte und Forderungen bewerten: Vorräte und Forderungen sind in der EÜR oft nicht oder nur unvollständig erfasst. Bei der Überleitung sind sie zum Bilanzstichtag zu inventarisieren und zu bewerten. Dabei können sich stille Reserven oder Lasten ergeben, die das steuerliche Ergebnis beeinflussen.

  • Latente Steuern berücksichtigen: Durch den Wechsel zur Bilanzierung können sich Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz ergeben, die zu aktiven oder passiven latenten Steuern führen. Diese sind in der Überleitungsrechnung zu ermitteln und in der Bilanz auszuweisen.

  • Einlagen und Entnahmen abgrenzen: In der EÜR werden Einlagen und Entnahmen der Gesellschafter oft nicht klar abgegrenzt. Bei der Überleitung sind sie jedoch zu identifizieren und gesondert zu erfassen, um eine korrekte Entwicklung des Eigenkapitals darzustellen.

Steueroptimierte Gestaltung beim Unternehmensverkauf

Steht der Verkauf der UG an, stellt sich die Frage, ob die vereinfachte Buchführung beibehalten oder schon vorher auf Bilanzierung umgestellt werden soll. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Käuferinteressen berücksichtigen: Für viele Käufer ist eine bilanzierende UG attraktiver, da sie mehr Transparenz und Sicherheit bietet. Eine frühzeitige Umstellung kann die Verkaufsverhandlungen erleichtern und den Preis erhöhen.

  • Stille Reserven aufdecken: Durch die Umstellung auf Bilanzierung werden stille Reserven sichtbar, z.B. in Vermögensgegenständen oder Forderungen. Das kann den Wert des Unternehmens erhöhen, führt aber auch zu einer höheren Steuerbelastung.

  • Verlustrückträge nutzen: Wurden in der Vergangenheit Verluste erzielt, können diese durch eine Umstellung auf Bilanzierung leichter mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Das gilt insbesondere für den Verlustrücktrag, der in der EÜR nicht möglich ist.

  • Zeitpunkt und Form des Verkaufs optimieren: Je nach Käuferstruktur und -interesse kann ein Asset Deal oder ein Share Deal sinnvoll sein. Beim Asset Deal werden einzelne Wirtschaftsgüter übertragen, was eine Aufdeckung stiller Reserven erfordert. Beim Share Deal werden die Anteile an der UG verkauft, was eine Bilanzierung voraussetzt. Hier ist eine sorgfältige Abwägung und Planung mit Experten erforderlich.

Beispiel: UG mit vereinfachter Buchführung wird verkauft

Die ABC UG (haftungsbeschränkt) wurde vor 3 Jahren gegründet und hat bisher die vereinfachte Buchführung angewendet. Die Umsatzerlöse lagen stets unter 600.000 €, die Bilanzsumme unter 300.000 €. Es wurden keine Arbeitnehmer beschäftigt. Der Gründer und alleinige Gesellschafter möchte die UG nun verkaufen.

Im letzten Jahr erzielte die UG folgende Werte:

  • Betriebseinnahmen: 580.000 €
  • Betriebsausgaben: 510.000 €
  • Gewinn lt. EÜR: 70.000 €

Bei einer Due Diligence durch den potenziellen Käufer werden folgende stille Reserven festgestellt:

  • Nicht aktivierte Patente: 50.000 €
  • Nicht abgeschriebene Betriebs- und Geschäftsausstattung: 30.000 €
  • Nicht bewertete Vorräte: 20.000 €

Daraus ergibt sich ein Wert des Unternehmens von 170.000 € (70.000 € Gewinn zzgl. 100.000 € stille Reserven).

Variante 1: Verkauf ohne vorherige Bilanzierung (Asset Deal)

Die UG verkauft die einzelnen Wirtschaftsgüter (Patente, Ausstattung, Vorräte) an den Käufer. Dadurch werden die stillen Reserven von 100.000 € aufgedeckt und unterliegen der Körperschaftsteuer (15%) und dem Solidaritätszuschlag (0,825%). Die Gewerbesteuer fällt nicht an, da der Freibetrag von 24.500 € nicht überschritten wird.

Steuerberechnung:

  • Gewinn lt. EÜR: 70.000 €
  • Aufdeckung stille Reserven: 100.000 €
  • Gewerbesteuer: 0 €
  • Körperschaftsteuer (15% von 170.000 €): 25.500 €
  • Solidaritätszuschlag (5,5% von 25.500 €): 1.402,50 €
  • Steuerbelastung gesamt: 26.902,50 €

Der Verkaufserlös nach Steuern beträgt somit 143.097,50 € (170.000 € - 26.902,50 €).

Variante 2: Verkauf mit vorheriger Bilanzierung (Share Deal)

Die UG stellt freiwillig auf Bilanzierung um und weist die stillen Reserven von 100.000 € in einer Überleitungsbilanz aus. Dadurch erhöht sich das Eigenkapital, was den Wert der Gesellschaftsanteile und damit den Kaufpreis erhöht.

Steuerberechnung:

  • Gewinn lt. EÜR: 70.000 €
  • Aufdeckung stille Reserven: 100.000 €
  • Gewerbesteuer: 0 €
  • Körperschaftsteuer (15% von 170.000 €): 25.500 €
  • Solidaritätszuschlag (5% von 25.500 €): 1.402,50 €
  • Steuerbelastung gesamt: 26.902,50 €

Der Gesellschafter verkauft anschließend seine Anteile an der UG für 170.000 €. Der Veräußerungsgewinn von 170.000 € unterliegt bei ihm dem Teileinkünfteverfahren nach § 17 EStG, d.h. 60% des Gewinns (102.000 €) werden mit seinem persönlichen Steuersatz versteuert.

Bei einem angenommenen Steuersatz von 42% ergibt sich folgende Steuerbelastung:

  • 42% von 102.000 € = 42.840 €

Der Veräußerungserlös nach Steuern beträgt somit 127.160 € (170.000 € - 42.840 €).

Hinzu kommt jedoch die Steuererstattung für die UG in Höhe von 26.902,50 €, die sich aus der Körperschaftsteuer und dem Solidaritätszuschlag auf Ebene der Gesellschaft ergibt. Diese Erstattung erhält der Gesellschafter als Kaufpreisbestandteil, so dass sich ein Gesamterlös von 154.062,50 € ergibt.

Fazit

Die Beispielrechnungen zeigen: Durch eine vorherige Umstellung auf die Bilanzierung und einen Share Deal lässt sich der Veräußerungserlös nach Steuern erhöhen. Allerdings sind dafür auch ein höherer Aufwand und eine sorgfältige Planung erforderlich. Welche Variante im Einzelfall sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. der Käuferstruktur, der Finanzierungsform oder der persönlichen Steuerbelastung des Gesellschafters.

In jedem Fall gilt: Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den steuerlichen Aspekten und eine professionelle Begleitung durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind unverzichtbar, um den Unternehmensverkauf optimal zu gestalten. Denn nur wer die Stellschrauben kennt und richtig justiert, kann das Maximum für sich herausholen.

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