Unternehmensbewertung: Wie berechnet man den Unternehmenswert?
Die Bewertung eines Unternehmens ist ein zentraler Schritt bei Unternehmensverkäufen, Investitionen oder strategischen Entscheidungen. Es gibt verschiedene Ansätze, die den Unternehmenswert ermitteln. In diesem Artikel stellen wir die wichtigsten Methoden vor und beantworten Fragen wie "Wie bewerte ich mein Unternehmen?", "Was ist der Unterschied zwischen den Bewertungsmethoden?" und "Wann sollte ich welche Methode verwenden?".
Wie berechnet man den Unternehmenswert?
1. Ertragswertmethode
Die Ertragswertmethode basiert auf der Fähigkeit eines Unternehmens, in der Zukunft Gewinne zu erzielen. Hierbei werden die zukünftigen Erträge geschätzt und auf den heutigen Wert (Barwert) abgezinst. Diese Methode ist besonders geeignet für Unternehmen mit stabilen und vorhersagbaren Gewinnen.
Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:
-
Prognose der zukünftigen Gewinne: Hierbei werden die erwarteten Erträge für einen bestimmten Zeitraum (meist 3-5 Jahre) geschätzt. Diese Schätzung basiert auf historischen Daten, Markttrends und Wachstumserwartungen.
-
Anwendung eines angemessenen Diskontierungssatzes: Die zukünftigen Gewinne werden mit einem Diskontierungssatz auf den heutigen Wert abgezinst. Dieser Satz spiegelt das Risiko und die Opportunitätskosten wider. Je höher das Risiko, desto höher der Diskontierungssatz.
Die Formel für die Ertragswertmethode lautet:
Dabei ist:
- = Erwarteter Gewinn in Periode t
- = Diskontierungssatz
- = Anzahl der Perioden
Ein Beispiel: Ein Unternehmen erwartet für die nächsten 5 Jahre Gewinne von 100000 €, 120000 €, 140000 €, 160000 € und 180000 €. Bei einem Diskontierungssatz von 10% ergibt sich ein Ertragswert von:
Die Ertragswertmethode ist eine der am häufigsten verwendeten Bewertungsmethoden. Sie eignet sich besonders für etablierte Unternehmen mit stabilen Cashflows und einer vorhersehbaren Zukunft. Allerdings hängt die Genauigkeit stark von der Qualität der Prognosen ab.
Quelle: IHK: Unternehmensbewertung mit der Ertragswertmethode
2. Multiplikatorverfahren
Das Multiplikatorverfahren verwendet Kennzahlen wie den Umsatz oder den Gewinn, multipliziert mit einem branchenspezifischen Faktor, um den Unternehmenswert zu berechnen. Diese Methode ist vor allem in Branchen mit klar definierten Bewertungsmaßstäben (z. B. Technologie, Immobilien) verbreitet.
Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:
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Auswahl einer geeigneten Unternehmenskennzahl: Häufig verwendete Kennzahlen sind der Umsatz, das EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) oder das EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization).
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Anwendung eines branchenspezifischen Multiplikators: Der Multiplikator wird basierend auf Marktdaten und Vergleichstransaktionen ermittelt. Er spiegelt das typische Verhältnis zwischen Unternehmenswert und Kennzahl in der jeweiligen Branche wider.
Die Formel für das Multiplikatorverfahren lautet:
Ein Beispiel: Ein Technologieunternehmen erzielt ein EBITDA von 1 Million €. In der Branche wird typischerweise ein Multiplikator von 15 angewendet. Der Unternehmenswert beträgt dann:
Das Multiplikatorverfahren hat den Vorteil, dass es relativ einfach anzuwenden ist und sich an Marktdaten orientiert. Es eignet sich besonders für Unternehmen in Branchen mit vielen Vergleichstransaktionen. Allerdings vernachlässigt es unternehmensspezifische Faktoren und kann bei ungewöhnlichen Kennzahlen zu verzerrten Ergebnissen führen.
Quelle: Handelsblatt: Multiplikatorverfahren
3. Substanzwertverfahren
Beim Substanzwertverfahren wird der Wert der Vermögenswerte eines Unternehmens berechnet, abzüglich der Schulden. Es wird häufig für produzierende Unternehmen oder solche mit hohem Sachwert eingesetzt.
Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:
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Ermittlung der Vermögenswerte: Hierzu zählen materielle Werte wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Vorräte, aber auch immaterielle Werte wie Patente oder Marken. Die Bewertung erfolgt meist zu Marktpreisen oder Wiederbeschaffungskosten.
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Abzug der Verbindlichkeiten: Von der Summe der Vermögenswerte werden alle Schulden und Verbindlichkeiten abgezogen. Dazu gehören Kredite, Anleihen, Lieferantenverbindlichkeiten und Rückstellungen.
Die Formel für das Substanzwertverfahren lautet:
Ein Beispiel: Ein Produktionsunternehmen hat folgende Werte:
- Grundstücke und Gebäude: 5 Millionen €
- Maschinen und Anlagen: 3 Millionen €
- Vorräte: 1 Million €
- Patente: 500000 €
- Bankverbindlichkeiten: 2 Millionen €
- Lieferantenverbindlichkeiten: 1 Million €
Der Substanzwert beträgt dann:
Das Substanzwertverfahren eignet sich besonders für Unternehmen mit hohem Anlagevermögen und geringem immateriellen Wert. Es liefert eine konservative Bewertung, die vor allem für die Kreditvergabe oder Liquidation relevant ist. Allerdings vernachlässigt es das Ertragspotenzial und ist weniger geeignet für Dienstleistungs- oder Technologieunternehmen.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Substanzwertverfahren
4. Mischverfahren und individuelle Faktoren
In der Praxis wird häufig eine Kombination aus verschiedenen Methoden verwendet, um ein möglichst realistisches Bild zu erhalten. Dabei spielen auch individuelle Faktoren eine Rolle, die in den Standardmethoden nicht immer ausreichend berücksichtigt werden:
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Marktstellung: Ein Unternehmen mit starker Marktposition und hohen Eintrittsbarrieren ist oft mehr wert als der reine Substanz- oder Ertragswert.
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Wachstumschancen: Unternehmen mit überdurchschnittlichen Wachstumsaussichten können einen höheren Wert haben, auch wenn die aktuellen Erträge noch gering sind.
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Managementqualität: Die Fähigkeiten und Erfahrungen des Managementteams können den Unternehmenswert maßgeblich beeinflussen.
Ein populäres Mischverfahren ist das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF). Es kombiniert Elemente der Ertragswert- und Substanzwertmethode. Dabei werden die zukünftigen freien Cashflows prognostiziert und mit einem risikoangepassten Zinssatz auf den heutigen Wert diskontiert. Anschließend wird der Restwert (Terminal Value) ermittelt, der den Wert des Unternehmens nach dem Prognosezeitraum darstellt.
Die Formel für das DCF-Verfahren lautet:
Dabei ist:
- = Freier Cashflow in Periode t
- = Weighted Average Cost of Capital (gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten)
- = Terminal Value (Restwert)
- = Länge des Prognosezeitraums
Ein Beispiel: Ein Unternehmen erwartet für die nächsten 5 Jahre freie Cashflows von 500000 €, 600000 €, 700000 €, 800000 € und 900000 €. Der WACC beträgt 8% und der Terminal Value wird auf 10 Millionen € geschätzt. Der Unternehmenswert beträgt dann:
Das DCF-Verfahren gilt als sehr fundiert und flexibel. Es berücksichtigt sowohl die Ertragskraft als auch den Substanzwert und lässt sich an individuelle Gegebenheiten anpassen. Allerdings ist es komplex und erfordert detaillierte Prognosen und Annahmen.
Quelle: KPMG: Unternehmensbewertung in der Praxis
Die Wahl der richtigen Bewertungsmethode hängt von vielen Faktoren ab. Wichtige Kriterien sind die Branche, die Größe und das Alter des Unternehmens, die Verfügbarkeit von Daten und der Zweck der Bewertung.
Für junge, innovative Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial eignen sich oft Multiplikatorverfahren oder DCF-Ansätze. Für etablierte Unternehmen mit stabilen Erträgen bietet sich die Ertragswertmethode an. Für Unternehmen mit hohem Substanzwert und geringem Ertragspotenzial ist die Substanzwertmethode eine gute Wahl.
In jedem Fall ist es ratsam, mehrere Methoden anzuwenden und die Ergebnisse zu vergleichen. Auch eine Sensitivitätsanalyse, bei der die Auswirkungen von Änderungen der Annahmen untersucht werden, kann wertvolle Erkenntnisse liefern.
Eine fundierte Unternehmensbewertung erfordert Erfahrung und oft die Unterstützung von Experten, um alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und spezialisierte Berater können helfen, die richtigen Methoden auszuwählen und anzuwenden.
Letztlich ist eine Unternehmensbewertung immer eine Momentaufnahme, die auf Annahmen über die Zukunft basiert. Sie kann nie die volle Komplexität eines Unternehmens abbilden. Dennoch ist sie ein unverzichtbares Instrument für Unternehmensverkäufe, Investitionsentscheidungen und die strategische Planung.
Über den Autor
Christopher Heckel
Co-Founder & CTO
Christopher hat als CTO des Mittelstandsfinanziers Creditshelf die digitale Transformation von Finanzlösungen für den Mittelstand geleitet. Viaductus wurde mit dem Ziel gegründet, mit Technologie für Unternehmensübernahmen und -verkäufe Menschen zu unterstützen, ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
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